Das geschlossene Flüchtlingslager Idomeni – Ein Rückblick von Jörg Schmidt-Rohr
Das Engagement der GAL für soziale Gerechtigkeit bezieht sich zwar vorwiegend auf städtische Themen. Allerdings verschließen wir natürlich nicht die Augen vor den Entwicklungen „da draußen“. GAL-Mitglied Jörg Schmidt-Rohr war vor der Räumung des inoffiziellen Flüchtlingscamps Idomeni (Nordgriechenland) auf eigene Faust mit seinen beiden Söhnen vor Ort und lieferte in einem Kurzbericht (zu finden u. A. hier: http://www.gal-heidelberg.de/content/idomeni-ein-fluechtlingslager-nordgriechenland) Informationen aus erster Hand. Im Folgenden gibt Jörg in einem kurzem Resume einige Antworten rund um das Thema Idomeni.
Im April erschienen Beiträge deines Engagements zu Idomeni noch in der Stadtredaktion, der RNZ und im ZDF; am 26.05.2016 liest man ein „Plötzlich ist es leer“ in der ZEIT. Wie empfandest du zunächst die Nachricht von der Schließung des Lagers, in welchem vorher schätzungsweise noch immerhin 10.000 Menschen Unterkunft fanden?
JSM: Es war klar, dass das Lager irgendwann geräumt werden würde. Allein deswegen, weil die Bahnlinie wieder in Betrieb genommen werden „musste“ und sich viele tausend Waggons in Mazedonien stauten. Außerdem war Idomeni zu „berühmt“ und hatte viel Öffentlichkeit. Jetzt sind die Menschen in den Lagern des Militärs verschwunden und nicht mehr im Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit. Meine Kontaktleute hatten das auch schon 2-3 Wochen vorher mitgeteilt.
Wie empfindest du vor dem Hintergrund deiner persönlichen Erfahrungen die Flüchtlingsdebatte in Heidelberg und allgemein in Deutschland?
JSM :In Heidelberg ist das eine sehr einfache Debatte, weil es ja wirklich viel gesellschaftliche Flüchtlingsunterstützung gibt, die aber im Leerlauf ist, da es eben in Heidelberg sehr wenige Flüchtlinge gibt. In Deutschland verschwindet das Thema langsam wieder aus der politischen Debatte, weil die Tür einfach zu ist und die Flüchtlinge in Griechenland bleiben müssen. Nur wenige schaffen den Weg nach Deutschland. Aber die meisten – von den Behörden über die Städte bis zur Politik und der Gesellschaft – sind meiner Ansicht nach zumindest klammheimlich froh, dass jetzt eben nur noch wenige kommen und die Gesellschaft mit dem großen Problem nicht mehr konfrontiert ist. Man hat das erfolgreich in die Nachbarländer und an die europäische Peripherie abgeschoben.
Hat sich deine eigene Einstellung zur Flüchtlingsdebatte durch dieses Erlebnis verändert; wenn ja: wie?
JSM: Eigentlich nicht, denn ich kenne die Geschichten und Erlebnisse von Flüchtlingen aus meiner Arbeit seit vielen Jahren. Und Idomeni selbst war zu dem Zeitpunkt an Ostern zumindest von der Ausstattungsstruktur her keine humanitäre Katastrophe mehr wie viele andere der weltweiten Flüchtlingslager. Aber natürlich war es einfach gut was Konkretes zu tun und das Erleben der weltweiten Volunteer“bewegung“ war schon eine neue Erfahrung.
Am 30. April wurden drei persönliche Erfahrungsberichte im Ausländer- und Migrationsrat (AMR) vorgestellt; einer davon war dein eigener. Wie empfandest du das Feedback des AMR zu den Berichten?
JSM: Der Tagesordnungspunkt ging leider ziemlich unter, weil er sehr am Ende kam und auch die Presse schon wieder weg war. Nachfragen gab es kaum. Ich hatte auch nur einen kleinen Beitrag, die Initiative von „soups and socks“, die ja weitere konkrete Planungen haben, war da wichtiger…
Hast du auch vor Ort in Heidelberg Kontakt zu Flüchtlingen?
JSM: Immer mal wieder. Im Rahmen von „Gute Nachbarschaft in Bergheim“ wo ich bisschen beteiligt bin, über die Pattonbikes oder auch natürlich immer mal wieder in Rechtsberatungsfällen. Aber ich bin jetzt nicht systematisch ehrenamtlich z.B. als Sprachkurslehrer unterwegs.
Sind von deiner Seite aus weitere Aktionen geplant?
JSM: Nein, denn das Ganze war ja auch wirklich nur als kleine private Aktivität geplant und ist dann gewachsen. Was nicht ausschließt, dass ich mal wieder irgendwo hin fahre und was Konkretes tue. Ich sehe mich auch eher in der Rechtsberatung hier und der Unterstützung von Strukturen, Vereinen und Initiativen.
Wünschst du dir in Heidelberg mehr politische Unterstützung für die Belange von Menschen auf der Flucht?
JSM: Ich glaube in Heidelberg gibt es da wirklich ganz viel und die wenigen hier lebenden Flüchtlinge werden – Einzelprobleme mit Wohnung und Arbeit gibt es natürlich immer mal wieder – gut von den vielen Initiativen aber auch der Stadt oder den Verbänden unterstützt. Auch das gesellschaftliche Klima ist im Wesentlichen gut – wobei man da immer dran bleiben muss, denn nach bundesweiten Statistiken lehnt ca ein Viertel der Heidelberger Ausländer ab – siehe auch AFD-Wahlergebnisse – aber das bleibt halt (noch) im Verborgenen. Eine Idee ist die „Save me kampagne“, zu der es ja sogar einen Gemeinderatsbeschluss gibt , mal von der Theorie in die Praxis umzusetzen und dem Land/Bund zusammen mit anderen Städten ein Angebot zu machen eine Zahl X von Geflüchteten aus Griechenland oder der Türkei im Rahmen eines Resettelments zu übernehmen. Das wäre noch mal ein echter Schritt.
BIldquelle: Jörg Schmidt-Rohr
- Posted by GAL
- On 19. Juli 2016